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Wörterbuch

Menschenrechtliches Modell von Behinderung

Menschen mit Behinderung werden oft durch äußere Umstände und gesellschaftliche Bedingungen benachteiligt. Das menschenrechtliche Modell von Behinderung richtet den Blick auf diese Umstände und Bedingungen.

Beschreibung

Das menschenrechtliche Modell orientiert sich an dem Leitsatz der Behindertenbewegung: „Nichts ohne uns über uns.“ Es bezieht Menschen mit Behinderung in Entscheidungsprozesse über sie mit ein. Das Ziel ist es, eine Fremdbestimmung durch Menschen zu vermeiden, die keine Behinderung haben. Im Gegensatz zum menschenrechtlichen Modell diagnostiziert das medizinische Modell Menschen als „behindert“ entsprechend ihrer körperlichen Verfassung.

Seit den 1980er Jahren werden bei der Gewährung von Menschenrechten zunehmend Benachteiligungen bei Menschen mit Behinderung entdeckt und geändert. Zwei wichtige Dokumente wurden in dieser Zeit verabschiedet – 1982 das „Weltaktionsprogramm für Behinderte“ und 1993 die „Rahmenbedingungen für die Herstellung von Chancengleichheit für Behinderte“. Gerade die Chancengleichheit gilt als großer Meilenstein. Durch die selbstbestimmte Teilhabe von Menschen mit Behinderung wurden die Menschenrechte auf die Erfahrung von Behinderung zugeschnitten.

Das menschenrechtliche Modell begreift Behinderung nicht mehr als medizinisch gegeben, sondern als hauptsächlich sozial konstruiertes Modell nach dem Grundsatz „Ich bin nicht behindert, sondern ich werde behindert" (siehe auch: Soziales Modell). Barrieren sind kein Schicksal, sondern ausschließende Mechanismen, die von einer Dominanzkultur bzw. Mehrheitsgesellschaft oder einer Gesellschaft von Nicht-Beeinträchtigten eingeführt wurden.

Das menschenrechtliche Modell bezieht sich nicht allein auf den Schutz vor Diskriminierung, sondern auch auf die Gewährung sozialer Sicherheit und eines angemessenen Lebensstandards. Alle Menschen werden als rechtsfähig und handlungsfähig angesehen. Zudem wird Behinderung als Teil menschlicher Vielfalt wertgeschätzt. Die Lebenswelt von Menschen mit Behinderung wird als Identitätspolitik anerkannt. Des Weiteren orientieren sich Präventionsprogramme in der Gesundheitspolitik nun an Inklusion, Diskriminierungsfreiheit und Menschenwürde. Konkrete Maßnahmen konzentrieren sich nicht auf primäre, sondern sekundäre Präventionen. Außerdem wird der Zusammenhang zwischen Armut und Behinderung betrachtet und anerkannt. Denn es ist erwiesen, dass ärmere Menschen eher behindert werden und Menschen mit Behinderungen schwerer aus der Armut herauskommen.

Quellen

  1. Degener, Theresia. 2015. „Die UN-Behindertenrechtskonvention - ein neues Verständnis von Behinderung.“ In: Handbuch Behindertenrechtskonvention: Teilhabe als Menschenrecht - Inklusion als gesellschaftliche Aufgabe, hrsg. v. Theresia Degener und Elke Diehl, 55–74. Schriftenreihe / Bundeszentrale für Politische Bildung 1506. Bonn: bpb Bundeszentrale für politische Bildung. https://m.bpb.de/system/files/dokument_pdf/Handbuch_Behindertenrechtskonvention.pdf. Zugriff am 2. September 2021.