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Wörterbuch

Vulnerabel

Vulnerabel bedeutet, verletzlich zu sein. Jeder Mensch ist vulnerabel.

Bedeutung für inklusive Technikentwicklung

Vulnerabilitäten, zum Beispiel in Bezug auf Isolierung, Armut oder Ähnliches, entstehen durch Lebensumstände oder durch gesellschaftliche Benachteiligung. Folgende Erklärungsfaktoren helfen bei der Charakterisierung von Vulnerabilitäten: materielle Bedingungen, kulturelle und verhaltensbedingte Faktoren, psychosoziale Faktoren oder Lebensereignisse. Außerdem spielen die medizinische Versorgung und Einflüsse aus der frühen Kindheit beziehungsweise aus dem sozialen Lebensumfeld eine Rolle (siehe die Beiträge in Kapitel 3 Richter/ Hurrelmann 2009).[5]

Jugendliche in der Jugendhilfe oder Behindertenhilfe haben oft strukturelle Benachteiligung erlebt. Diese zeigt sich auch in Nachteilen bei der digitalen Teilhabe. Inklusive Technikentwicklung hat zum Ziel, Tools (Werkzeuge) zu entwickeln, die für alle Menschen hilfreich sind und die digitale Teilhabe fördern.

Beschreibung

Der Begriff der Vulnerabilität wird in verschiedenen wissenschaftlichen Feldern unterschiedlich definiert.[1]

Aus anthropologischer Sicht (Anthropologie = die Lehre vom Menschen) ist Vulnerabilität eine Grundeigenschaft. Jeder Mensch ist vulnerabel. Außerdem gibt es eine spezifische Dimension von Vulnerabilität. Sie ist das Ergebnis von bestimmten Lebensumständen und hat zur Folge, dass Selbstbestimmung und Entscheidungsfreiheit eingeschränkt sind. Interne Faktoren wie eine körperliche Abweichung können mit externen Faktoren, wie beispielsweise einem Bildungsrückstand, zusammenkommen und sich gegenseitig verstärken. Dann verstärkt sich auch die Vulnerabilität.[2]

Es gibt drei bestimmende Merkmale von Vulnerabilität. Erstens das Ausgesetzt-Sein (engl.: exposure). Zweitens die Sensitivität (engl.: sensitivity). Und drittens die Möglichkeit, diesem Ausgesetzt-Sein passend begegnen zu können (engl.: adaption).[3, p.12]

Vulnerabilität beschreibt demnach die Verletzlichkeit oder Verletzbarkeit einer Person, einer sozialen Gruppe, eines Gegenstandes oder eines Systems angesichts bestehender Gefährdungen, Risiken, Krisen, Stress, Schocks oder bereits eingetretener schädigender Ereignisse. Die Verletzung oder Schädigung bedeutet in der Regel, dass wichtige Funktionen oder Möglichkeiten eingeschränkt oder nicht mehr vorhanden sind. Eine wesentliche Bedingung der Vulnerabilität besteht in unzureichenden Bewältigungskapazitäten der Person, Gruppen oder Systeme.[4, p.24] Die Bezeichnung „vulnerable Gruppe" ist im Hinblick auf Diskriminierungsgefahren nicht förderlich. Im Gegenteil: stigmatisierende und diskriminierende Effekte sind nie gänzlich auszuschließen.[6, p.304]

Wenn es um Eigenschaften der Zielgruppe geht, ist eine Stigmatisierung und einseitige Zuschreibung zu vermeiden. Die Erfahrungen in der speziellen Situation können aber auch Resilienz auslösen und bei den Jugendlichen zur Herausbildung bestimmter Stärken führen. Deshalb sollte man sich bei den Eigenschaften von benachteiligten Jugendlichen nicht auf die stigmatisierende Benachteiligung fokussieren. Vielmehr kann auch die Diversität betont werden, die die Jugendlichen möglicherweise bereichert.[7, p.3]

„Salutogenetic perspectives underpin the importance of acknowledging the patient as a person and mobilizing his or her strengths [3], so that the patient’s resistance resources are given the best possible conditions in the fight against illness, suffering and oppression.“[7, p.3] (Übersetzung: Die salutogenetische Perspektive unterstreicht, wie wichtig es ist, den Patienten als Person anzuerkennen und seine Stärken zu mobilisieren, damit die Widerstandsressourcen des Patienten im Kampf gegen Krankheit, Leiden und Unterdrückung die bestmöglichen Bedingungen erhalten). Denn vermutlich sind die Zielgruppen nicht wegen ihrer Eigenschaften digital benachteiligt/vulnerabel, sondern aufgrund eines strukturell bedingten begrenzten Zugangs zu digitalen Technologien und geringen Möglichkeiten, digitale Kompetenzen zu erwerben. Das reduziert ihre Chancen auf Teilhabe.[8]

Quellen

  1. Dederich, Markus (2020). „Anerkennung und Vulnerabilität. Inklusionspädagogische Überlegungen in Anschluss an Butler und Levinas. Zeitschrift Für Inklusion, Nr. 1 (März). https://www.inklusion-online.net/index.php/inklusion-online/article/view/554/402. Zugriff am 2. April 2020.
  2. Schrems, B. M. (2017). Vulnerabilität im Kontext der Pflegeforschung. Ein Essay. Pflege & Gesellschaft, (4), S. 308 - 321
  3. ten Have, H. (2016): Vulnerability: Challenging Bioethics. London, New York: Routledge
  4. Bürkner, H.-J. (2010). Vulnerabilität und Resilienz. Forschungsstand und sozialwissenschaftliche Untersuchungsperspektive. Working Paper Leibnitz-Institut für Regionalentwicklung und Strukturplanung. http://www.irs-net.de/download/slash/wp_vr.pdf. Zugriff am 20. Februar 2016.
  5. Richter, Matthias und Klaus Hurrelmann, Hrsg. (2009). Gesundheitliche Ungleichheit: Grundlagen, Probleme, Perspektiven. 2. Aufl. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften / GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden.
  6. Streich, Waldemar (2009). „Vulnerable Gruppen: „Verwundbarkeit“ als politik-sensibilisierende Metapher in der Beschreibung gesundheitlicher Ungleichheit.“ In Gesundheitliche Ungleichheit: Grundlagen, Probleme, Perspektiven, hrsg. v. Matthias Richter und Klaus Hurrelmann. 2. Aufl., 300-307. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften / GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-91643-9_17.
  7. Malterud, Kirsti und Per Solvang (2005). „Vulnerability as a Strength: Why, When, and How?“. Scandinavian journal of public health. Supplement 66:3–6. doi:10.1080/14034950510033291.